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Die reiche Elite übernimmt die Stadien zur WM in Brasilien

Das Maracanã-Stadion: wie so viele Stadien in Brasilien immer elitärer und stimmungsloser

„Gutverdienend und hellhäutig: Es ist kein Querschnitt von Brasiliens Bevölkerung, der den Weg in die Stadien findet. Für viele Einheimische ist der Eintritt zu teuer.“ So leitet die faz einen Artikel über das Ergebnis einer Umfrage des Instituts Datafolha ein. Das Institut befragte die Zuschauenden der Partie Chile gegen Brasilien und das Ergebnis ist eindeutig.
„Die Stadionbesucher [sind] überdurchschnittlich reich, überdurchschnittlich weiß und überdurchschnittlich kritisch gegenüber der amtierenden [linken] brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff.“, so die faz. Der Fussball zur WM in Brasilien gehört so vorallendingen der gut betuchten Gesellschaftsschicht, die der armenfreundlicheren Politik der Präsidentin ablehnend gegenüberstehen.

Aber das Problem einer immer elitärer werdenden Stadionpublikums existiert nicht allein wegen der Weltmeisterschaft, sondern zeichnet sich im gesamten brasilianischen Fußball ab.
Die taz hat einen hintergründigen Bericht zu dieser Entwicklung in Brasilien geschrieben. Dort heisst es unter anderem:
„Die Eintrittspreise für brasilianische Ligaspiele haben sich in den vergangenen Jahren mindestens verdoppelt, manchmal sogar vervierfacht. Besonders krass sind die Preissteigerungen in den WM-Stadien: Ligaspiele in den neuen WM-Tempeln zu besuchen ist im Schnitt 120 Prozent teurer als in den herkömmlichen Stadien. Allein zwischen 2011 und 2012 verlor die Erste Liga über 700.000 Fans auf den Rängen. Trotz des Besucherrückgangs um 13 Prozent stiegen die Einnahmen der Vereine aus dem Ticketverkauf um 3 Prozent.“

In der Vergangenheit waren die Stehplätze abgebaut, Logen und Sitzplätze ausgebaut. Die Preise steigen so, die Stimmung in Stadion dagegen sinkt. Die Morgenpost titelt sogar, das legendäre Macaraná-Stadion würde in dieser allgemeinen Entwicklung „seine Seele verlieren“.

Ob argentinische Fans, die die Sitzschalen in einem Stadion herausrissen, das aus einer Kritik an dieser Entwicklung heraus taten, ist bisher nicht abgebildet.

Mit Gewalt gegen die Armen für eine saubere WM

Vertreibung für den schönen Schein: Favelas wurden in Brasilien für die WM gewaltsam geräumt

Im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Brasilien kam es, genau wie zur WM 2010 in Südafrika, zu Zwangsräumungen und der Vertreibung von Straßenkindern aus den brasilianischen Städten. Es begann ein paar Monate vor der WM, als die Polizei ganze Wohnviertel abriegelte und deren BewohnerInnen gewaltsam vertrieb. Diese Einsätze spielten sich alle in den Favelas ab, den Brasilianischen Armensiedlungen.

Einen direkten Einblick in dieses Vorgehen bietet die Deutsche Welle in einem Video. Verschiedene Medien und Studien sprechen von bis zu 250.000 Zwangsräumungen im Vorfeld der Weltmeisterschaft, siehe hier. Einen sehr ausführlichen Bericht aus Fortaleza hat auch der Deutschlandfunk gebracht, der hier nachzuhören ist.

In Brasilien gibt es weltweit mit die meisten Straßenkinder. Für die WM wurden sie systematisch vertrieben und verschleppt.

Straßenkinder werden von der Polizeit für die Weltmeisterschaft systematisch aus dem Stadtbild verscheucht. Die Berliner Zeitung hat das als eine der wenigen Medien hier thematisiert. Aber die jungen Brasilianer werden nicht nur vertrieben, sondern für die Zeit der WM auch eingesperrt, damit sie nicht wieder ins Straßenbild zurückkehren können, wie die schweizerische News-Seite 20minuten hier schreibt.

Einen tieferen Einblick auf die Auswirkungen der Weltmeisterschaft gibt die Publikation „Großevents und Menschenrechtsverletzungen in Brasilien“, siehe hier. Außerdem hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Publikation „Im Schatten der Spiele“ die Vertreibungen und die Widerstände thematisiert, siehe hier. Die Brasilien Koordinationsgruppe von Anmesty International meldet Zwangsräumungen und thematisiert diese in den jährlichen Berichten, siehe hier.